Heute möchte ich, aus aktuellem Diskussionsanlass im Piratenpartei-Forum über die Nachteile und Probleme des CopyCan- bzw. Pre/Post-Release-Modell sprechen. Natürlich gilt auch hier wie bei der Kulturflatrate „einen Tod muss man sterben“, jedoch sehe ich die Nachteile von CopyCan als kritisch an. Jedoch fände ich es Verkaufsoption in Kombination mit einer Kulturflatrate akzeptabel. Auch wenn sich die Beispiele der nachfolgenden Kritikpunkte hauptsächlich auf die Musikbranche beziehen, gelten sie zu weiten Teilen auch in den Bereichen Filme, Software und Bücher.
Das Werbeproblem
Der Erfolg vieler Musikalben lebt nicht nur vom Künstlername sondern auch von der direkten (Werbespot) oder indirekten (Trailer-, Film-, Unterhaltungsmusik) TV- und Radiowerbung… vor allem bei jungen Künstlern. Auf diesen Effekt muss man jedoch verzichten. Natürlich kann man auch beim CopyCan-Modell zuvor ein oder zwei Lieder veröffentlichen, jedoch steht der Künstler vor einem Problem: Wenn man sein bestes Lied vorab veröffentlicht, sinkt der Anreiz das Album zu kaufen. Wenn man nur ein mittelmäßiges Lied veröffentlicht bleibt der Erfolg aus. Ein weiteres Problem ist, dass man als erstmal darauf aufmerksam werden muss, dass irgendwo in einem Internetportal ein Welthit schlummert.
Das Trägheitsproblem
Was vielleicht am Anfang noch gut funktioniert, kann einige Wochen später schon wieder ganz anders laufen. Die Trägheit eines nicht zu unterschätzenden Bevölkerungsanteils wird mit der Zeit dazu führen, dass diese sich nicht mehr mit dem Durchforsten von CopyCan-Angeboten beschäftigen wollen, sondern sich eben mit dem zufrieden gibt, was schon freigegeben wurde. Dieser Effekt verstärkt sich auch durch die unten aufgeführten Probleme: „Wenige bezahlen für alle“-, „Kein Vorteil“- und „Nachfragemonopol-Problem“.
Das „Wenige bezahlen für alle“-Problem
Es gibt unter den Menschen viele verschiedene Grundeinstellungen: Sie reichen von Selbstlosigkeit und Idealismus bis zu Egoismus und Schmarotzertum. Die meisten CopyCan-Teilnehmer müssen zumindest bereit sein, für ein kommerzielles Produkt zu bezahlen, dass ihnen (gegenüber der Allgemeinheit) keine zusätzlichen Vorteile bringt.
Anmerkung: jedoch wäre es denkbar, dass man allen Bezahlenden mit einem Preisnachlass für ein Konzertticket dankt oder mit Fanartikeln und dergleichen. Einen Produktvorteil erhält man allerdings nicht.
Das „hohe Angebotspreise“-Problem
Die Preise der CopyCan-Angebote wären, wie man anhand desfolgenden Beispiels sieht, sehr hoch. Diese Geldsummen sind allein durch freiwillige Abgaben schwer zu erreichen. Eine 4-köpfige Band mit Manager, Produzent und Techniker kann ca. 1 Album pro Jahr (bei guter Qualität) veröffentlichen. Um die Grundeinkunft der Musiker zu sichern, müssen wohl pro Mitarbeiter mindestens ca. 12.000 bis 15.000 € im Jahr reinkommen. Den Rest des Jahresgehaltes kommt durch Auftritte und andere Deals herein. So müsste die Band gut 80.000 € bis 100.000 € pro Album verlangen, damit es sich überhaupt lohnt. Nicht mit eingerechnet sind die Produktionskosten und eventuelle Vermarktung usw.. In anderen Produktbereichen (wie millionen Dollar teuren Hollywood-Produktionen) liegt der Preis noch höher (trotz Kinobesuchen und internationaler Vermarktung).
Das „Zu viele Angebote“-Problem
Neben den hohen Geldforderungen die durch so ein Angebot aufkommen, verteilt sich die Zahlungsbereitschaft der Nutzer auf eine riesige, unüberschaubare Anzahl von Angeboten. Ich schätze mal, dass pro Tag mindestens 10 Musikalben veröffentlicht werden. Die Zahl wird eher noch höher sein (zum Vergleich: in der Filmbranche sind es über 3000 Filme im Jahr). Neben diesen vielen Musikalben konkurrieren auch noch andere Produkte auf CopyCan (Filme, Programme, Bücher usw.). Wenn sich nun das Geld das jeder User bereit ist herzugeben auf unzählige Produkte verteilt (und der Gelbetrag wird dann noch weniger sein, als der heutige Durchschnittsuser ausgibt), dann wird es noch schwiriger viele Angebot auch wirklich zu erfüllen.
Das „von anderen abhängig sein“-Problem
Zwar bekommt man, sollte ein Angebot nicht veröffentlicht werden, sein Geld zurück, muss dann jedoch auch auf das Produkt verzichten, dass man sich (wäre man nicht von anderen Mitkäufern abhängig) auf jeden Fall gekauft hätte. Der Erfolg hängt also davon ab, ob es genügend Leute gibt, die das „Wenige bezahlen für alle“-Problem überwinden. Ohne CopyCan hätten die Künstler in diesem Beispiel wahrscheinlich in einem Direktverkauf (trotz Schwarzkopien) mehr Geld eingenommen, da jeder Konsument für sich ein Geschäft mit dem Künstler eingeht und nicht von anderen abhängig ist.
Das Zielgruppen-Problem
Die Bezahlbereitschaft auf Internetportalen hängt eindeutig von der Zielgruppe ab. Musik für Kinder und ältere Generationen und Senioren wird sehr darunter zu leiden haben, da dieses System in diesen Bevölkerungsschichten nicht genutzt oder verstanden wird. Zudem neigen die Bezahlenden eher dazu ihre Lieblingsband zu unterstützen, statt die Lieblingsband ihres Kindes oder die Lieblingsmusik der Großeltern.
Das Problem mit dem Nachfragemonopol
Auch wenn es von den Leuten nicht beabsichtigt ist: Allein aus den vielen der oben genannten Kritikpunkte entsteht mit der Zeit automatisch ein Nachfragemonopol. Denn egal wie stark die Zahlungsmoral mit der Zeit schwindet, vielleicht weil alle hoffen das die anderen schon bezahlen werden oder auf Grund eines anderen Kritikpunktes, der Künstler wird sein Werk wohl in fast allen Fällen veröffentlichen müssen. Denn selbst, wenn er bei weitem nicht genug Geld zusammen bekommt, wird er sein CopyCan-Angebot und somit das Geld annehmen müssen, um zumindest die Produktionskosten teilweise abzudecken. Der Künstler ist also dazu gezwungen fast jedes Angebot zu akzeptieren. Denn es gibt nur einen Abnehmer: Die Allgemeinheit in ihrer Gesamtheit. Die Konsumenten besitzen durch ihre gemeinsame Finanzierung des Produkts (nach dem Prinzip: entweder für alle oder für keinen) ein Nachfragemonopol. Dieser Effekt verstärkt sich weiter, wenn die Leute bemerkten, dass so oder so jedes Lied veröffentlicht wird, egal ob sie Geld an CopyCan abgeben oder nicht.
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Piratenkauz
Edit: Einige sprachliche Fehler sowie Rechtschreibfehler korrigiert