Eine Alternative zur aktuellen Studiengebühr

Heute möchte ich mich mal mit einem ganz anderen Thema beschäftigen: Die Studiengebühren. Schon seit der ersten größeren Diskussionswelle vor einigen Jahren, habe ich mir mal im Stillen einige Gedanken zu diesem Thema gemacht. Mein Ziel war es abseits der zwei üblichen Standpunkte „für Studiengebühren“ oder „gegen Studiengebühren“ alternative Ideen zu entwickeln. Und da sich die Piratenpartei aktuell nicht in das politische Spektrum einteilen lässt und lassen möchte, bietet es sich gerade zu an, auch über Möglichkeit auch über Lösungen aus der Mitte des politischen Spektrums nachzudenken.

Da die wichtigsten Standpunkte über den Streit der Studiengebühren schon alle vielfach gesagt worden sein dürften, will darauf nicht weiter eingehen. Vielmehr will ich gleich zu meiner Überlegung kommen, wie kann man den Konflikt „die Bildung muss den Studenten mitfinanziert werden vs. freie Bildung“ auflösen könnte, ohne eine der beiden bekannten, äußeren Positionen betreten zu müssen. Also weder für die von Studenten kaum finanzierbare und sozial ungerechte Studiengebühr, noch für die Auffassung, dass der Staat alles bezahlen soll und muss.

Das Hauptproblem der Studiengebühren ist ja bekannterweise, dass diese während des Studium von den nichtverdienenden oder wenigverdienenden Studenten kaum bezahlt werden können. So werden viele junge Leute aus finanzschwachen Familien von diesem Bildungssystem geradezu ausgeschlossen.

Meine nun folgende (zugegeben noch unausgereifte) Roh-Idee versucht dieses Problem zu lösen, sowie auch einige weitere positive Effekte zu kombinieren. Es sollte jedem Leser klar sein, dass diese Idee keine komplett durchdachte Forderung ist, sondern ausschließlich ein kleiner Denkanstoss für alle Interessierten dieses Themas.

Vorschlag: Nachträgliche Studienvergütung

Das Ziel der nachträglichen Studienvergütung ist es, dass die Studenten während ihres Studiums eine kostenfreie Bildung erhalten. Hat der Studierende sein Studium erfolgreich abgeschlossen und befindet sich darauf in einem Arbeitsverhältnis mit einem Jahresbrottoeinkommen gleich oder größer 30.000 €, so wird eine nachträgliche Studienvergütung fällig. Diese beträt ca. 5% und besitzt wie die Kirchensteuer als Bemessungsgrundlage die Einkommensteuer bzw. Lohnsteuer. Der Empfänger dieser Vergütung ist die Lehranstalt in der man studiert hat. Die nachträgliche Studienvergütung ist sowohl zeitlich als auch von der Betragshöhe her unbegrenzt.

Vorteile

  • Das Studium ist nun nicht mehr von der Finanzierbarkeit der Studiengebühr abhängig => Soziale Gerechtigkeit.
  • Es entfällt somit die zusätzliche finanzielle Belastung während des Studiums.
  • Die Lehranstalten haben ein finanzielles Motiv an guten Studiengängen, Betreuung und Arbeitsplatzvermittlungen. Sie werden nun für ihre Erfolge belohnt. Die Belohnung sind viele, hoch bezahlte Abgänger die monatlich etwas von ihrem Erfolg zurückgeben.
  • Die Lehranstalten erhalten bei Top-Abgängern deutlich mehr Geld als über Studiengebühren + es gibt einen kontinuierlichen Geldfluss. Das bedeutet im Endeffekt mehr Geld für Bildung.
  • Durch die Fälligkeitsgrenze von 30.000 € (muss evaluiert werden), werden die Abgänger mit gehaltsschwächeren Arbeitsstellen nicht zusätzlich belastet.

Nachteile

  • mehr Bürokratie (dürfte aber im IT-Zeitalter auch automatisierbar sein)
  • Studierte müssen ein Leben lang für ihr Studium bezahlen.
  • Studierte die ins Ausland abwandern, können so eventuell ihrer Schuld entfliehen.

Gegen die Ausnutzung

Um dieses System in Zukunft nicht zu lähmen oder es für „Schmarotzer“ attraktiv zu gestalten, sollte die nachträgliche Studienvergütung nur für die Regelstudienzeit (+ max. 1 Semester) gelten. Alle zusätzlichen Semester sollten weiterhin mit den vollen, sofort u bezahlenden Studiengebühren belastet werden.

Eine Anmerkung zum Schluss

Sieht man einmal von dem gerade eben getätigten Vorschlag der nachträglichen Studienvergütung ab, und müsste ich mich für eine Standardposition in dieser Diskussion entscheiden, wäre ich natürlich (allein aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit) gegen Studiengebühren. Jedoch versuche ich hier zumindest einige Argumente der gegnerischen Position nachzuvollziehen. Da auch diese nicht alle haltlos sind.

Euer Piratenkauz

7 Antworten to “Eine Alternative zur aktuellen Studiengebühr”


  1. 1 sascha 3. Juli 2009 um 17:05

    In Baden-Württemberg darf jeder Student für jedes Semester unabhängig vom Einkommen der Eltern einen Kredit von der Landesbank in Höhe der Studiengebühren aufnehmen, und muss diesen erst nach dem Studium im Arbeitsleben wieder tilgen. Zudem ist eine Höchstgrenze für die sich anhäufenden Schulden vorgesehen, die auch noch mit etwaigen BAFöG-Schulden verrechnet wird.

    Es existiert also quasi schon heute die Möglichkeit einer „nachträglichen Studienvergütung“ für diejenigen die das wollen.

    Über andere Bundesländer weiß ich allerdings nicht Bescheid.

  2. 2 Basti Hirsch ッ 4. Juli 2009 um 14:12

    Die Forderung nach Open Access steht ja bereits im Wahlprogramm, unter dem Stichwort freie Bildung sollte aber Open Education eine noch viel größere Rolle spielen.

    Als guter Einstieg bietet sich die Cape Town Open Education Declaration an: http://capetowndeclaration.org/

    Weitere Links und Literaturtipps stehen auf http://bildunghacken.de/ und hier in den Kommentaren: http://www.schmidtmitdete.de/archives/526

  3. 3 nothingelse89 6. Juli 2009 um 01:27

    Ich finde deine Idee grundsätzlich sehr gut. Allerdings würde ich die Dauer der nachträglichen Finanzierung beschränken, am besten abhängig von der Dauer des Studiums.
    Abgesehen davon würde ich von der ausschließlichen Finanzierung der Regelstudienzeit Abstand nehmen. Die Regelstudienzeit ist teilweise sehr knapp bemessen. Und gerade bei viel ehrenamtlichem Engagement wird sie oft überschritten – gerade engagierte Studenten sollte man nicht bestrafen.

  4. 4 Joe 10. Juli 2009 um 20:59

    Finde die Idee genial.
    Ich bin Student und zahle Studiengebühren, und finde es dennoch an sich richtig, das diese ‚extra-Bildungsleistung‘ des Staates auch von den Studenten mitfinanziert wird, im Gegensatz zur allgemeinen Schulbildung, die eh jeder geniesst (geniessen sollte).
    ‚Ich will mein Studium finanziert bekommen‘-Einstellungen mag ich daher nicht sonderlich.

    Ich kann aber meine Kommilitonen verstehen, die sich gegen Gebühren wehren, weil der typische Student hat das Geld eben nicht so dicke.

    1% Steuer für Ex-Studenten ab einem Jahresgehalt von 30 000 Euro, für die doppelte Studiendauer gezahlt, dürfte so ganz grob etwa die selben Einnahmen bringen wie die Gebühren heute, getragen halt insbesondere von den Studenten, denen das Studium zur Karriere verholfen hat. Das wäre nicht so viel, um allein damit Studenten nach dem Studium ins Ausland zu treiben, und vor allem müsste sich kein Student fürchten, nach dem Studium und bei schlechter Wirtschaftslage arbeitslos auch noch auf einem Schuldenberg zu sitzen.

  5. 5 Matthias 2. September 2009 um 11:59

    In Hamburg gibt es von schwarz/grün ein Modell, dass die Stundung und Kreditaufnahme bei der KfW beinhaltet. Man kann zu jeder Zeit die Zahlung auf das Ende des Studiums verschieben. Sobald man eine gewisse Gehaltsgrenze überschreitet muss man alles auf einmal zurückzahlen (wovor dann viele zurückschrecken). Es handelt sich also eher um ein Kreditmodell.

    Die Idee der Piratendenkstube dies über eine geringe Zusatzsteuer zu finanzieren nimmt Studierenden die Angst vor Verschuldung und ist in meinen Augen positiver zu berwerten.

  6. 6 Torben 5. September 2009 um 15:11

    Finde die Idee auch von Grund auf gut. 2 „Abers“ hätte ich da.
    1. Müssten damit es gerecht zu ginge nicht sehr viele Daten gesammelt und zentral zusammengebracht werden (Uni; Studiendauer etc. Einkommen…)
    Als Nachteil ist zwar die Verwaltungsarbeit genannt, aber sind wir hier nicht Piraten und sind gegen solch eine Datenansammlung.
    2. Nach Studienende und mit Aufnahme eines lebenswerten und erträglichen Berufs werden BAföG, Studienkredit und jetzt auch noch nachträgliche Studiengebühren anfallen. Wer will da noch einen guten Job? Da bleib ich doch lieber unter der Grenze oder gehe (wie bei Nachteilen erwähnt) ins Ausland.


  1. 1 Studiengebühren « Myblog's Blog Trackback zu 4. November 2009 um 02:24

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